Immer wenn ich das Wort “Neiddebatte” in einer öffentlichen Diskussion sehe, dann bin ich mir sicher, dass das Anliegen berechtigt ist, und es keine Argumente auf der Seite derer gibt, die von einer “Neiddebatte” sprechen.
Naja, die Sache ist ganz einfach: Eine Praxis darf nur eine Anzahl von X Patienten pro Monat behandeln,ansonsten arbeitet sie zuerst für stark verringerte Vergütungssätze,irgendwann für lau. Je nachdem ob noch Dinge verordnet werden,zahlt sie schnell sogar drauf. Gleichzeitig ist das bewusst so angelegt,dass mit diesen Sätzen keine volle Auslastung der Praxis erzielt werden kann. Also muss,um Personal und Geräte auszulasten ein gewisser Teil Privatpatienten behandelt werden. (Rein aus GKV Einnahmen sind in vielen Fachgebieten keine Praxen wirtschaftlich zu betreiben)
Das könnte man auf Kassenseite sehr sehr schnell abstellen. Will man aber nicht. Denn in Deutschland muss, so sieht das Gesetz es vor, die Versorgung nur “ausreichend” sein. Mehr darf also nicht sein - und wir wissen alle was ausreichend heißt in der Schule.
Der Mann meiner Mom musste über eine Woche mit einem mehrfach gebrochenen Schlüsselbein und einer Handvoll Ibuprofen auf einen OP-Termin warten, weil er bloß ein unwichtiger Kassenpatient ist. Aber diese Neiddebatte ist schon lästig, gell?
Ich finde irgendwas als Neiddebatte abzukanzeln immer ein bisschen merkwürdig. Lasst es doch eine Neiddebatte sein, Neid ist doch ggf. ein guter Gradmesser dafür, wenn irgendetwas ungerecht ist: ich bin doch nicht neidisch auf irgendetwas, von dem ich das Gefühl habe, es wäre verdient. Wenn große Teile der Bevölkerung aber neidisch auf Privilegien von einem kleinen Teil sind, dann ist das vielleicht ein Auftrag an die Politik zu handeln
Leider Spiegel, deshalb nicht lesbar (Cookie-Wall edit: sogar Paywall).
Welch Überraschung, die Ärzte, die diese Situation verursachen bzw. ausnutzen, finden es albern, dass Leute ewig auf einen Facharzttermin warten müssen.
Ich kann ja verstehen, wenn sie das System ausnutzen und die besser zahlenden Privatversicherungen bevorzugen. Dann muss eben das System geändert werden, und das kann nur die Politik.
Es sind nur nicht die Ärzte,die diese Situation verursachen sondern die Budgetierung der Kassen.
Die GOÄ ist seit 1996 nicht reformiert worden, d.h. dass seit damals die ärztliche Vergütung im Privatbereich nicht angehoben wurde. Und soweit ich mich erinnere, ist anno '96 auch nur die GOÄ 88 restrukturiert worden, die Vergütung aber nicht angehoben worden. Ich bin seit 10 Jahren aus diesem Geschäft, aber ich bezweifle, dass die PKV mittlerweile noch wesentlich mehr zahlt als die GKV (die GKV-Vergütung wird nämlich regelmäßig angepasst.) Der Unterschied ist, dass sie nicht budgetiert ist.
Und eine Aufhebung der Budgetierung ist schlicht unmöglich – seit mindestens 40 Jahren ist der medizinische Fortschritt so weit fortgeschritten, dass wir es uns nicht mehr leisten können, unsere Bevölkerung auf dem aktuellen Stand der medizinischen Wissenschaft zu versorgen. Das System kann nur darüber entscheiden, wie dieser Mangel verwaltet wird, es kann ihn aber nicht abstellen.